…haben Sie sich im Zuge eines Arztgespräches oder eines Behandlungsverlaufes schon einmal, ihre Beschwerden in Betracht ziehend, nicht richtig zugeordnet und unverstanden gefühlt, oder meinten Sie IHR Problem wurde nicht wirklich erkannt?
Die angestrebte „Wirtschaftlichkeit“ in der Medizin könnte ein Grund dafür sein.
Zu dieser Thematik hier ein Auszug der Ansprache von Prof. Giovanni Maio, Institut für Ethik und Medizin von der Universität Freiburg, im Zuge der DAV Tagung 2017.
Stromlinienförmigkeit (aalglatt; angepasst, sich windend;schleimig ), statt ärztliche Kunst.
Über die Werte in einer industrialisierten Medizin
Prof. Maio erklärt in seinem Referat den Unterschied zwischen Medizin und Handwerk und warnt vor einem Theoriewechsel in der Medizin. Er fragt, „wo steht der Mensch in seiner Unverwechselbarkeit“? Er warnt davor vom Algorithmus (Handlungsvorschrift) abzuweichen und den Patienten nicht auf einen Fall, ein Chema zu reduzieren. Er erinnert an die Problemlösungskompetenz und die Komplexitätsbewältigung. Vor allem die Mediziner würden sukzessive dahin gebracht, neue Werte zu entwickeln. Die Ökonomisierung bedeute nichts anderes, als dass die Menschen gleich gemacht werden.
Prof. Maio hält die Zeit für den wichtigsten Wert. Er meint es sei wichtig sorgfältig zu reflektieren, abzuwarten, neu hinzuschauen, nie die absolute Sicherheit zu sehen, so lange die Mediziner mit einem Patienten zu tun haben. Der Ermessensspielraum sei nicht beliebig sondern individuell, mit verschiedenem Faktenwissen, somatiliertem (auf den Körper schieben) Wissen, Beziehungswissen, Verständigungswissen und haptischem (fühlbarem) Wissen. Letzteres stellt die Verbindung von Wissenschaft mit dem zwischenmenschlichen Denken dar. Zur Wissenschaftlichkeit gehöre auch integratives Denken, so Prof Maio.
Die Wirtschaftlichkeit in der Medizin führe allerdings zu einer Deprofessionalisierung (Entmachtung). Maio fordert die Ärzte auf, um das Interesse am Patienten neu zu kämpfen. Wirtschaftliches Arbeiten führt zu einer Zweckentfremdung in der Medizin und zu einer Herabschätzung. Maio appelliert: „Sie sind in die Medizin gegangen und nicht in die Industrie“. Das sollen sich die Ärzte immer wieder vor Augen halten. Der Beruf des Mediziners sei eine vertrauenswürdige Position. Auch Standards führen zu einer Überformalisierung (ordnen, sortieren) und gehören zum ökonomischen (wirtschaftlichen) Denken.
Die Lösung sei Gespräche mit den Patienten zu führen. Medizin heißt „ich mache mir Gedanken“.